Herr Michel erinnert sich


Klaus Michel - 36 Jahre an der Beethovenschule

Als ich im April 1972 bei meiner Vereidigung im Schulamt Konstanz erfuhr, dass ich an der Beethovenschule in Singen meine erste Anstellung antreten sollte, wusste ich nicht, was auf mich zukommen wird. 

„Beethovenschule“, das war schon mal ganz gut, weil ich Musik von diesem Herrn schon kannte und sie mir auch gefiel. Das moderne geradlinige Schulhaus aus Beton und Glas – na, ja, es war damals noch neu und ganz modern.

So stellte ich mich bei Herrn Rektor Kauder vor. Er konnte mich in einer dritten Klasse brauchen, weil gerade eine Lehrerin im Schwangerschaftsurlaub war. Dritte Klasse - passt schon – ich hatte ja Schwerpunkt Hauptschule studiert. So fing ich nach den Osterferien als Klassenlehrer in einer dritten Klasse an, doch dieser Auftrag war zu Pfingsten schon beendet, denn Frau Walter kam aus der Schwangerschaftszeit zurück; Erziehungszeit gab es damals noch nicht. Die Zeit bis zu den großen Ferien durfte ich dann mit Vertretungen in den verschiedensten Klassen verbringen und mit Einschulungstests – damals wurden alle Kinder vor dem Eintritt in die erste Klasse getestet. 

Dann kam eine große Herausforderung auf mich zu. Ich sollte zum neuen Schuljahr eine achte Klasse übernehmen, die niemand haben wollte. Einige Kolleginnen hatten sich bereits geweigert, in dieser Klasse zu unterrichten. Mit den Fächern Deutsch, Erdkunde, Geschichte und Gemeinschaftskunde war es nicht jeden Tag einfach, aber ich kam mit den Acht- und dann auch Neuntklässlern ganz gut zurecht. Aufregungen gab es nur, weil außerschulische Tätigkeiten die Polizei und dann auch die Schule beschäftigten. Fahrrad- und Mopeddiebstähle, Automateneinbrüche waren damals in, und die Polizei fischte diese Gegenstände aus dem Ziegeleiweiher. 

Am Ende des neunten Schuljahrs gingen wir (Dieter Weidner und ich) mit den beiden Klassen ins Schullandheim in den Schwarzwald. Es war ein einmaliges Erlebnis. Zwei volle Wochen während der Fußballweltmeisterschaft 1974. Wir erwanderten die höchsten Schwarzwaldgipfel, wie den Feldberg und den Belchen. Übrigens: Im Schullandheim schrieben die Schüler damals noch eine Mathematikarbeit, und die Tagesberichte wurden benotet. Auch die Abschlussfeier bereiteten wir vor. So kam es zu einem schönen und versöhnlichen Abschluss mit den einstmals schwierigen Klassen. Damit war auch meine weitere Tätigkeit in der Beethovenschule definiert. Meine überwiegende Zeit verbrachte ich in achten und neunten Klassen, immer als Klassenlehrer. So kann ich im Jubiläumsjahr 2008 zum 18. Mal eine neunte Klasse entlassen.

Lehrermangel gab es immer. Es waren eigentlich nie genug Lehrkräfte da. In den siebziger Jahren mangelte es auch an Sportlehrer/innen. Über 10 Jahre lang habe ich fachfremd in dritten, vierten und fünften Klassen Sport unterrichtet. Damals gingen wir immer mit den Viertklässlern zum Schwimmen. Kollege Schwall und ich liefen zu Fuß mit circa vierzig Schülern ins Hallenbad und nach dem Schwimmen natürlich wieder zurück zur Schule. Im Nichtschwimmerbecken versuchte ich den Schülern einige Schwimmzüge beizubringen. Ich finde es heute noch toll, dass einige Kinder das Schwimmen lernten, obwohl ich selbst nur ein mäßiger Schwimmer bin. Ohne Ausbildung und DLRG-Schein war mein Einsatz ein Risiko, zum Glück ist nie etwas passiert. Heute würde ich das nicht mehr machen und auch keinem Kollegen zumuten. 

 

Eine große Krise gab es in der Beethovenschule, als 1991 der damalige Rektor von einem Tag auf den anderen vom Dienst suspendiert wurde. Konrektor Müller musste die Schule kommissarisch führen, und ich durfte ihm als „Ausfallvertreter“ assistieren. Es war eine schwierige Situation, und es war nicht einfach, die Aufregung im Kollegium und in der Elternschaft über die Verfehlungen des suspendierten Rektors zu beruhigen. 

 

Die gemeinsamen Anstrengungen zum 25-jährigen Jubiläum der Beethovenschule im Jahre 1993 trugen dazu bei, dass sich die Stimmung wieder normalisierte. Es wurde ein gelungenes Jubiläumsfest.

 

Die rektorlose Zeit dauerte bis 1994, denn Gerichtsverhandlungen und Revisionsverhandlungen benötigen eine geraume Zeit. Als die juristische Lage endlich geklärt und abgeschlossen war, wurden die Stellen des Rektors und Konrektors (Herr Müller ging in Pension) neu ausgeschrieben. Ohne voneinander zu wissen, bewarb sich Dieter Weidner, der schon 12 Jahre Rektor in Volkertshausen war, um die Rektorenstelle, und ich bewarb mich um die Stelle des Konrektors. Herr Weidner und ich hatten von 1972 bis 1982 immer als Klassenlehrer in Parallelklassen hier an der Beethovenschule gut zusammengearbeitet, und so kamen wir nach 12 Jahren wieder zusammen, nun in leitenden Positionen. Wir können ruhig, vertrauensvoll und in Freundschaft miteinander arbeiten. Diese Ära wird in absehbarer Zeit, einfach aus Altersgründen, zu Ende gehen.

 

36 Jahre an der gleichen Schule –  und es können ja bis zur Pensionierung noch ein paar wenige Jahre dazukommen – sind wahrscheinlich eine Seltenheit in unserer schnelllebigen Zeit. Aber es ist nicht die Schule, es sind die Menschen, die die Arbeit interessant machen. 

Es sind die vielen Schüler und Schülerinnen, die ich kennen lernte und unterrichtete, mit denen es schwierige, meist aber erfreuliche Erlebnisse gab. Es sind die vielen Kollegen und Kolleginnen, mit denen ich zusammen gearbeitet habe; zu manchen haben sich freundschaftliche Verbindungen entwickelt. Es sind die vielen Mütter und Väter, denen ich in vielen vertrauensvollen, aber oft auch schwierigen Gesprächen begegnete.  

Es waren 36 Jahre, die abwechslungsreich, spannend, spannungsgeladen, arbeitsreich, nicht immer einfach, aber immer ausgefüllt waren. 

Ich fühlte und fühle mich an der Beethovenschule beruflich zu Hause. 

 

Klaus Michel

Herr Michel 1978 mit seiner 9. Klasse